Ein aufmerksamer Leser dieser Seiten hat mich per E-Mail um Aufklärung gebeten, wieviel Ertrag ein Hektar Weingarten erbringen kann und ob es da große Unterschiede gibt:
Der Traubenertrag unterliegt tatsächlich enormen Schwankungen. Die Faustregel, daß ein niedrigerer Ertrag eine höhere Qualität bedeutet trifft dabei nicht immer zu. Wie hoch die Erntemenge ist, und wie hoch die Qualität hängt von vielerlei Faktoren ab:
- Der Jahrgang: Klimatisch begünstigte Jahrgänge können auch eine höhere Erntemenge zu ansprechender Qualität ausreifen lassen, während kühle, nasse und späte Jahre trotz minimaler Erträge nicht immer vollreife Trauben erbringen.
- Die Pflanzdichte: Sehr dicht gepflanzte Weingärten (in Österreich bis zu 6000 Stöcke/ha) können bei gleicher oder besserer Qualität mehr Ertrag bringen, als sehr weiträumig angelegte Weingärten (das klassische Lenz-Moser-System mit 2700 Reben/ha). Der einzelne Rebstock wird nämlich bei den dichteren Pflanzungen weniger belastet und trotzdem ist der Ertrag pro Hektar höher.
- Der Zustand des Weingartens: Gut gepflegte, durch vernünftigen Pflanzenschutz gesund gehaltene Weingärten mit einer leistungsfähigen und gut besonnten Blattfläche sind leistungsfähiger. Sie erbringen bei gleicher Qualität mehr Trauben (oder bei gleicher Menge bessere Qualität) als schlampig bewirtschaftete Reben.
- Die Traubensorte: Die Qualität der Weißweine reagiert weniger stark auf höhere Erträge als die der Rotweine. Innerhalb der Weißweine gibt es ebenfalls Unterschiede: Der Grüne Veltliner kann auch bei höheren Erträgen noch ansprechende (wenngleich eher leichte, jung zu trinkende) Weine erbringen. Chardonnay und Weißburgunder wirken bei höheren Erträgen wegen mangelnder Reife und Substanz meist ausdruckslos und wenig ansprechend.
- Die Art und Weise des Zustandekommens: Reben, die von Haus aus wenige Trauben tragen oder solche, die (nicht zu früh) auf eine niedrige Traubenanzahl ausgedünnt wurden erbringen bessere Qualität. Reben, die bis zur Lesezeit einen hohen Behang aufweisen, von dem bei der Ernte wegen Fäulnis oder anderer Krankheiten der Großteil aussortiert werden muß bringen zwar wenig Ertrag in den Keller, nicht aber besonders hohe Qualität.
Trotz dieser Einschränkungen ist der Ertrag ein Schlüsselfaktor für die Qualität, aber auch für das wirtschaftliche Überleben eines Weinbaubetriebes. Schließlich ist der Ertrag der Faktor, der die Produktionskosten am stärksten bestimmt. Wenn sich die Kosten für die Weingartenpflege auf 3000 Flaschen verteilen muß der Wein doppelt so teuer sein wie bei 6000. Soweit das die Natur zuläßt strebt der Winzer deshalb den für die jeweils angestrebte Qualität und Preisklasse besten Ertrag an. Auf Dauer kann kein Winzer den Wein billiger verkaufen als er ihn produziert. Dazu hat er folgende „Werkzeuge“:
- Die Neuanlage des Weingartens: Mit der Auswahl der Sorte entscheidet man sich für eine potentiell reichtragende oder wenig tragende Rebe. Innerhalb der Sorten gibt es verschiedene Selektionen und Klone, die in Sachen Ertrag bzw. Qualität zum Teil erheblich voneinander abweichen. Die Wahl der Unterlagsrebe, auf die die Rebe veredelt wird, beeinflußt das Wuchsverhalten und damit den künftigen Ertrag. Pflanzweite und Erziehungssystem legen die Einzelstockbelastung und die Leistungsfähigkeit der Laubwand fest.
- Düngung und Bodenbeareitung: Ein weitgehender Verzicht auf die Stickstoffdüngung und eine Begrünung des Bodens bremst die Wuchskraft und den Ertrag der Reben. Leiden die Reben aber unter Nährstoff- oder Wassermangel sinkt nicht nur der Ertrag, sondern auch die Qualität.
- Der Rebschnitt: Das Schneiden der Rebstöcke im Winter ermöglicht den Kreislauf von wachsen, reifen, ernten und wieder zurückschneiden. Der Rebschnitt ist die arbeitsaufwändigste Tätigkeit im Weingarten und legt in groben Zügen den angestrebten Ertrag fest.
- Die Laubarbeit: Meint es die Natur zu gut mit dem Weinbauern, kann dieser bereits ab dem Austrieb Ende April einzelne Triebe (mit Trauben) wegbrechen, damit sich die verbleibenden besser entwickeln können.
- Das Ausdünnen: Speziell bei reichtragenden Sorten (und jungen Reben) kann der Rebschnitt gar nicht so kurz erfolgen, als das im Sommer nicht doch zu viele Trauben an den Reben hängen. Deshalb werden häufig vor Beginn der Reife mehr oder weniger Trauben weggeschnitten, damit die verbleibenden besser ausreifen können. Wird diese Maßnahme zu früh durchgeführt, wachsen die verbleibenden Trauben noch, um den Verlust auszugleichen. Das gleicht den (eigentlich angestrebten) Ertragsverlust wieder aus und führt zu großbeerigen Trauben, die weniger Farbe und Aroma haben und zudem anfälliger für Fäulnis sind.
- Das Alter der Reben: In den ersten 15 Jahren ist der Ertrag und die Wuchskraft eines Weinstockes am größten. Danach wächst und trägt die Rebe ausgeglichener und hat nochdazu ein tiefergehendes Wurzelsystem, das auch Trockenperioden ohne Streß überdauern kann. Für die besten Weine werden daher meist die ältesten Reben herangezogen.
Mittlerweile gibt es gut entwickelte Prognosemodelle, die es schon im Sommer relativ genau ermöglichen, den Ertrag vorherzuberechnen und das Ausdünnen darauf abzustimmen. Besondere Witterungseinflüsse sind aber nicht vorherzusehen:
- Winterfrost: Die größten Ertragsausfälle gibt es in unseren Breiten nach Winterfrostschäden. So waren z.B. 1987 bei etwa -23°C zwei Drittel unserer Reben oberirdisch geschädigt und erbrachten keinen oder nur einen minimalen Ertrag. Die Reben mußten wie eine Junganlage mühsam vom Boden weg wieder neu aufgezogen werden. Ein Jahr ohne Wein aber mit viel Arbeit. Gottseidank kommen Temperaturen unter -15°C bei uns sehr selten vor. Die guten Hanglagen sind außerdem weniger gefährdet, weil sich die kalte Luft in der Ebene sammelt.
- Spätfrost: Damit die frisch gewachsenen grünen Triebe im Frühjahr erfrieren genügen schon Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. In solchen Fällen treiben die Knospen zwar wieder aus, meist hängen an diesen Trieben aber keine oder nur wenige Trauben. Mit Spätfrost haben wir im milden Klima am Neusiedlersee nur wenig zu tun. Trotzdem gibt es jedes Jahr ein Aufatmen, wenn die „Eismänner“ (rund um den 10. Mai) ohne Frost vorbeigegangen sind.
- Verrieseln: Schlechtes Blütewetter Anfang Juni kann zu einer mangelhaften Befruchtung und zum Abfallen vieler Blüten führen. Diese verrieselten Trauben erreichen später zwar ihre volle Größe, aber anstatt z.B. 150 Beeren hängen in Extremfällen nur eine Handvoll am Stielgerüst. Einzelne Sorten sind dafür besonders anfällig, z.B. der Muskat Ottonel aber auch der Blaufränkisch.
- Der Heuwurm: Die Raupen der ersten Generation des Traubenwickler-Schmetterlings fühlen sich im warmen Klima am Neusiedlersee besonders wohl. In Extremjahren kann es dazu kommen, daß sie bei einzelnen Sorten und Lagen die Hälfte der Gescheine (so heißt die Traube bis zur Blüte) wegfressen. Trotzem verzichten wir seit über 10 Jahren auf eine Bekämpfung mit Insektiziden und planen diesen Ertragsverlust so weit es geht beim Rebschnitt und beim Ausdünnen ein.
- Hagel: Ein schwächerer Hagelschlag ist vor allem ein qualitativen Problem, da er die Blätter beschädigt und viele Beeren verletzt, die dann zu Fäulnis neigen. Starker Hagel kann allerding auch einen Totalverlust der Erntemenge bedeuten.
- Mehltau und Botrytis: Während der echte und der falsche Rebenmehltau via Pflanzenschutz meist recht gut in Schach zu halten sind, tritt die Fäulnis erst knapp vor der Ernte auf und ist daher in einem Gebiet mit hoher Luftfeuchtigkeit (Neusiedlersee!) nicht immer zu vermeiden. Werden die Trauben erst befallen, wenn sie schon deutlich Zucker enthalten und bleibt das Wetter danach eher trocken spricht man von Edelfäule. Diese bedeutet zwar (durch die Wasserverdunstung der Beeren) auch einen enormen Ertragsverlust, der aber mit hochqualitativen Prädikatsweinen vergolten wird. Handelt es sich bei der Fäulnis um Sauerfäule oder andere Fäulnisarten (bei zu frühem Befall und zu nassem Wetter) erfordert die Ernte im Interesse der Qualität ein aufwändiges Aussortieren der befallenen Trauben mit einem dementsprechenden Ertragsverlust.
Der Ertrag ist also ein Zusammenspiel von Natur, Rebe und Mensch. Von qualitativen und wirtschaftlichen Überlegungen und unbeeinflußbaren Variablen.
Die Zahlen:
Nach dem österreichischen Weingesetz beträgt der maximal erlaubte Höchstertrag für Qualitätswein 9000 kg/ha bzw. 6750 Liter/ha. Dieser Wert wird aus administrativen Gründen nur über die gesamte Fläche eines Betriebes ermittelt und erlaubt daher eine gewisse Differenzierung zwischen den einzelnen Weingärten.
Bei extremer Massenproduktion sind Erträge von 200 hl/ha und mehr „machbar“. Selbst bei guter Düngung und sorgfältiger Pflege leidet aber darunter fast immer die Lebensdauer eines Weinstocks.
Für unsere leichten Weißweine (GV, WR) ernten wir im Schnitt etwa 60 bis 80 hl/ha. Wenn es die Natur zuläßt, liegen wir auch beim Muskat Ottonel in diesem Bereich. Da der Muskat sehr heikel ist, sind es manchmal aber auch nur 20 oder 30 hl/ha.
Pinot blanc und Chardonnay liegen meist bei etwa 40 bis 60 hl/ha, ebenso die fruchtigen Roten (BF und ZW). Für höhere Rotweinqualitäten reduzieren wir den Ertrag auf etwa 30 bis 40 hl/ha, beim sehr spätreifenden Cabernet auch schon mal auf Werte deutlich darunter. So haben wir 2005 beim Cabernet von etwa 0,7 ha 1100 Liter geerntet.
Prädikatsweine erbringen natürlich noch deutlich geringere Werte, da der höhere Zuckergehalt durch einen Verlust an Wasser (Verdunstung bei Botrytis und Strohwein, Ausfrieren beim Eiswein) „erkauft“ wird. Da im gleichen Lesedurchgang durch das Sortieren der Trauben oft verschiedene Weine geerntet werden, ist eine exakte Ertragsangabe bei diesen Weinen schwierig.
Nachdem wir keine Waage für die Trauben haben, gebe ich unsere Werte in hl/ha an. Ein Hektoliter entspricht 100 Liter. Im Durchschnitt entstehen aus 100 kg Trauben (bei „gesunden“, nicht geschrumpften Trauben) etwa 70 bis 75 Liter Most. In den meisten unserer Weingärten stehen etwa 4000 bis 5000 Stöcke pro Hektar. Ein Hektar sind 100 Ar oder 10.000 m².
Ich dachte immer, dass bei einer höheren Bestockung der einzelne Rebstock mehr belastet wird, dadurch seine Wurzeln tiefer in die Erde bringt , daher von Trockenperioden geschützt ist und vielleicht auch mehr Substanz im Most bekommt, aufgrund des stärkeren Überlebenskampfes.
Macht dann die Summe der Rebstöcke dann doch den weit höheren Ertrag an Trauben aus als im Gegensatz die weniger dichte Bestockung.
Von Haus aus weniger Trauben am Stock, bedeutet doch mehr Konzentration in den einzelnen Trauben (mehr Aromastoffe – höhere Komplexität), od. ist das auch wieder eine einfache und vielleicht nicht richtige Interpretation ?